Sehr geehrter Rat der Stadt Braunschweig,
als Freifunk-Initiative in Braunschweig verfolgen wir mit Interesse die dem
Beschluss 3584/14 folgenden Entwicklungen und somit auch die kürzliche
Mitteilung der Verwaltung (DS 14314/15) an den Wirtschaftsausschuss für den
17.04.2015. Hierbei fiel uns auf, dass die Verwaltung bei ihrer Recherche viele
Punkte missverständlich dargestellt hat, und leider auch die großen und
erfolgreichen Freifunkprojekte in Städtekooperation wie Arnsberg und
insbesondere Berlin unberücksichtigt lässt.
Im Folgenden greifen wir daher Abschnitte der Mitteilung auf und korrigieren
diese:
Zudem entzieht sich diese dezentrale
Lösung der verlässlichen Steuerung
der Versorgungsgebiete und –qualitäten.
Die oben genannten Beispiele zeigen klar, dass die Kooperation öffentlicher
Einrichtungen, Gewerbetreibender und Privatleute zu einer erfolgreichen
Flächendeckung mit kostenlosem WLAN in innerstädtischen Bereichen führen kann.
Mit Paderborn und Hamburg lassen sich darüber hinaus noch zwei Beispiele
anführen, in denen private Initiativen, sogar ohne Beteiligung der Städte,
umfangreiche Netze an Zugangspunkten aufgebaut haben.
Ein verlässliches Versprechen gegenüber
den Nutzern könnte damit nicht abgegeben
werden.
Durch die Beteiligung Vieler am Aufbau der Zugangspunkte ist für die
Freifunknutzer quasi jederzeit ein technischer Ansprechpartner verfügbar. Die
Sicherstellung des Betriebs der Infrastruktur wird durch die dezentrale Struktur
auf viele Schultern verteilt und die Betriebskosten sind dementsprechend niedrig.
Die geringen Kosten für den Betrieb der Zugangspunkte, nämlich die Stromkosten,
verteilen sich auf die gleichen Schultern. Soll ein neues Gebiet gezielt
erschlossen werden, so kann, unter Mithilfe der Stadt oder ähnlicher
Einrichtungen, sowie der Anwohner, auf deren verteilte und bestehende
Infrastruktur zurückgegriffen werden. Durch die so entstehende Redundanz kann
von einer höheren Verfügbarkeit als bei einer zentralisierten Infrastruktur
ausgegangen werden.
Auch wenn gesetzliche Änderungen
hinsichtlich der sogenannten Störerhaftung
in Aussicht gestellt sind, bleibt
doch fraglich, ob derartige Initiativen
juristisch nachhaltig abgesichert
sind und auch von offizieller
Seite genutzt werden sollten.”
Erste Urteile weisen in der aktuellen Rechtsprechung darauf hin, dass auch
Betreiber von Freifunk-Zugängen als Provider anzusehen sind und diese somit von
der Störerhaftung ausgenommen sind (AG Charlottenburg, Stellungnahme Kanzlei
Hubrig). Freifunk Rheinland hat sich darüber hinaus dafür entschieden, selber
Internetzugangsanbieter (ISP – Internet Service Provider) zu werden und betreibt
die Infrastruktur nun im Rahmen des Freifunk Rheinland e.V. (FF Rheinland1,
FF Rheinland2). Da aus unserer Sicht somit derzeit eine juristische Absicherung
gegeben ist, spricht nichts gegen eine Kooperation einer öffentlichen
Einrichtung mit Freifunk. Wie die aktuell laufende Gesetzgebung Freifunk oder
kommerzielle Anbieter beeinflusst ist zum jeztigen Zeitpunkt schwer absehbar.
Der Vorstand für Recht & Politik des eco e.V. sagt hierzu zum Beispiel:
“Wird der Referentenentwurf 1:1 umgesetzt, bleibt Deutschland weiterhin eine
WLAN-Wüste.” (eco) Eine Zusammenfassung weiterer Stimmen findet sich z.B.
bei »Freifunk statt Angst« (FSA).
Der Verein Freifunk ist eine
private Initiative, bei der
Bürger ihre private Internetverbindung
kostenfrei für andere Nutzer freigeben.
Die Bereitsteller von Freifunk-Zugangspunkten reservieren einen von ihnen
selbst festgelegten Teil ihrer Bandbreite für das Freifunknetz. Wird diese nicht
ausgelastet, steht sie auch weiterhin ihnen selbst zur Verfügung. Freifunknutzer
und -bereitsteller kann jede/r sein, nicht nur Bürger, sondern auch Ladenlokale
oder gar Ketten (s. Paderborn) oder öffentliche Einrichtungen (s. Berlin).
Die Möglichkeit, sich einem stadtweiten, offenen WLAN anzuschließen ist ein
Standortvorteil für kleine und mittelständische Unternehmen. Dies ist mit
Freifunk für Unternehmen mit geringem Aufwand und vernachlässigbaren Kosten
realisierbar; in Verbindung mit einer kommerziellen Lösung jedoch eher aufwendig.
Die jeweiligen Netze werden
nicht als getrennte Einwahlknoten
genutzt, sondern untereinander
verbunden (Mesh-Netze).
Dabei wird die sogenannte Störerhaftung
„umgangen“.
Jeder Knoten ist ein “Einwahlknoten” (Access-Point), mit dem sich Nutzer
verbinden können. Knoten, die selbst keinen direkten Internetzugang haben, aber
direkt oder indirekt einen Knoten mit Internetzugang per Funk erreichen können
(“Meshing”), können mit dieser Technik an infrastrukturarmen Orten
Internetzugang anbieten. Diese Art der Verbindung über Meshing ermöglicht nicht
die Störerhaftung zu umgehen. Stattdessen dient Meshing als technisches Mittel
zur Vergrößerung der Reichweite des Netzes. Freifunk würde auch ohne diesen
Reichweitenbonus funktionieren. Für die rechtliche Bewertung ist die Betrachtung
dieser Funktionsweise irrelevant.
“Derzeit schützt sich die Freifunk
Initiative vor einer Inanspruchnahme
durch die Verlagerung der Server
für ihre Mesh-Netze ins Ausland.”
Die genannten Server (“Gateways” genannt) sind die Ausgänge, über welche
Nutzer des Freifunknetzes tatsächlich “ins Internet” kommen. Prinzipiell ist
aus deutscher Sicht irrelevant, ob die Gateway-Server im Inland oder im Ausland
stehen, denn bisher wurde nicht nachgewiesen, dass die Störerhaftung für
Freifunk greift, da die angebotenen Dienste denen eines Providers entsprechen
(AG Charlottenburg). Unter Aufrechterhaltung der Unschuldsvermutung darf daher
nicht von einer Umgehung der Störerhaftung gesprochen werden. Der Rückgriff auf
Gateways verschiedener Anbieter in verschiedenen Ländern dient vielmehr der
Ausfallsicherheit und Lastenverteilung des Netzes und erhöht somit Stabilität
und Qualität des Angebotes. Das Providerprivileg dient dazu, Provider vor der
falschen Vorgabe von Rechtsansprüchen Dritter zu schützen; so wie ein Postbote
nicht für den Inhalt der Briefe verantwortlich ist, die er zum Briefkasten
bringt. Das Providerprivileg ist die Grundvoraussetzung für den Betrieb einer
öffentlichen Zugangsinfrastruktur. (Compuserve-Urteil, Stellungnahme Kanzlei
Hubrig)
“Die befragten Kommunen treten
mehrheitlich nicht als Provider
auf, auch um nicht in die
Störerhaftung zu gelangen.”
Diese Aussage ist inhaltlich falsch, da die Störerhaftung für eine Kommune,
die als Provider auftritt, nicht gilt. Darüber hinaus besteht für die Stadt
natürlich die Möglichkeit, Freifunk als Provider zu fördern, beispielsweise
durch finanzielle Unterstützung und/oder durch Nutzung öffentlicher Gebäude.
Die Verwaltung möchte offensichtlich rechtliche Risiken von der Stadt abwenden;
der aktuellen Rechtsauffassung nach existieren diese aber nicht, oder lägen im
Zweifel beim Kooperationspartner der Stadt (z. B. Freifunk).
Die Verwaltung hat in ihrer Mitteilung auch einen Anforderungskatalog
formuliert. Diesen wollen wir kurz kommentieren:
Folgende Anforderungen sollen an das Netz bzw. den Betrieb selbst gestellt
werden:
- Betrieb nicht bei der Stadt Braunschweig, sondern über einen Provider
Als Netzbetreiber sind Freifunker in der Lage, als Provider zu agieren.
- Vollständige Abdeckung der oben genannten Plätze
In Zusammenarbeit mit der Stadt, lokal ansässigen Gewerbetreibenden und
Privatpersonen ist eine Erschließung und Abdeckung der genannten Plätze
sofort möglich.
- Stabile Bandbreiten auch bei höheren Besucherzahlen zwischen 6 und 16 Mbit/s
Die verteilte Infrastruktur des Freifunknetzes und die damit entstehende
Lastenverteilung ergibt ein redundantes und skalierbares Netz, das auch
große Nutzerzahlen abfangen kann. Konkrete Zahlen hängen von den örtlichen
Bereitstellern ab und ist bei Bedarf schnell ausbaubar.
- Einfaches Anmeldeprozedere
Freifunk Braunschweig verzichtet auf eine Anmeldung der Nutzer. Das ist die
einfachste Form der Nutzung. Jegliche Form einer Anmeldung/Registrierung ist
ein Nutzungshemmnis, daher verzichten auch Freifunk Berlin (trotz
Städtekooperation) und Hamburg darauf.
- Kompatibilität mit Eduroam (WLAN-Netz der Universitäten)
Die gleichzeitige Verbreitung von Eduroam muss mit den Universitäten
abgesprochen werden. Eine gleichzeitige Existenz von Freifunk und Eduroam
ist problemlos möglich. Da Eduroam prinzipbedingt höhere Nutzungshürden als
Freifunk hat (insbesondere nur für Studenten und universitäre Mitarbeiter zur
Verfügung steht), kann für den reinen Netzzugang auch stattdessen einfach
Freifunk benutzt werden.
- maßvolle Werbeeinblendungen während der Nutzung (ggf. feste Integration auf
der Landing Page, parallele Druckwerbung etc.)
Freifunk verzichtet auf den unter 4) genannten Gründen auf eine Landing-Page.
Freifunk selbst ist werbefrei. Die Stadt Braunschweig kann natürlich (z.B.
auf ihrer Homepage) dafür werben, dass sie mit diesem sozialen
Infrastrukturprojekt zusammenarbeitet. Druckwerbung ist bei entsprechend
verfügbaren Budgets denkbar.
- Kostenfreiheit für die Nutzer von mindestens einer Stunde täglich
Freifunk bietet 24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche kostenfreien
Internetzugang. Auch an Feiertagen.
- Landing Page bei Netzanmeldung, aus der der Kooperationspartner
„Stadt Braunschweig“ deutlich erkennbar ist und von der aus weiterführende
Links und ggf. auch kurze Informationen zu städtischen Angeboten möglich
sind
Freifunk verzichtet auf den unter 4) genannten Gründen auf eine Landing-Page.
Permanente Werbung für die Kooperation der Stadt Braunschweig auf der
Homepage der Stadt, der Homepage von Freifunk Braunschweig und/oder durch
Druckwerbung und Mundpropaganda werden zu einer positiven Wahrnehmung des
Internetangebotes der Stadt führen.
- Möglichkeit der späteren Nutzung für eventuelle städtische Anwendungen
bzw. Nutzung für Smart-City Ansätze (Leitsysteme, Informationssysteme etc.)
Die Freifunk-Infrastruktur diskriminiert keine Dienste. Der Stadt
Braunschweig steht unser Netzwerk somit für eigene Dienste offen.
Ausblick & Perspektiven
-
Freifunk ohne Unterstützung der Stadt
Freifunk Braunschweig kann ohne Unterstützung langsam weiter wachsen.
Dies geschieht stetig, aber mit eher zufälliger Ausbreitung in der
Flächenabdeckung, sofern keine aktiven Werbeaktionen seitens der Initiative
selbst forciert werden.
-
Stadt als Teilnehmer und Unterstützer der Initiative
Wenn Freifunk Braunschweig von der Stadt Braunschweig unterstützt wird,
kann die Initiative die von der Stadt angestrebten Plätze vorrangig
ausbauen, indem dort Access-Points installiert werden. Die Sicherheit
des städtischen Netzwerkes (stadteigene Gebäude), sofern dieses genutzt
wird, wird dadurch nicht beeinträchtigt. Lediglich wird die jeweils am Ort
vorhandene Bandbreite in jenem maximalen Ausmaß eingeschränkt, das von der
Stadt in Kauf genommen wird. Die Kosten pro Router betragen dabei geschätzt
pro Anschaffung 20-100€ und für jährlichen Betriebsstrom im Schnitt
ca. 10-15 € pro Einheit. Die Minimalausstattung der von der Stadt
angestrebten Plätze kann so mit wenigen Einheiten ermöglicht werden und
erfüllt den Anspruch einer “möglichst kostenneutralen Lösung”.
Für eine komfortable, vollständigere und ausfallsicherere Abdeckung
wären je nach Ort mehr Einheiten notwendig.
-
Stadt als Schirmherr
Die Stadt bewirbt die Freifunk-Initiative z.B. auf ihrer Webseite oder
durch Auslage von Print-Werbung in Bürgerbüros, etc. Darüber hinaus kann
die Stadt als Türöffner bei ansässigen Gewerbetreibenden dienen und
Kontakte herstellen.
-
Stadt mit mehreren Kooperationspartnern
Es ist auch die Kooperation der Stadt mit mehreren Partnern zugleich
denkbar. So kann Freifunk Braunschweig die Abdeckung zusammen mit Bürgern
und Gewerbetreibenden weiter ausbauen und die Stadt gleichzeitig eine
Kooperation mit einem kommerziellen Provider eingehen.
Freifunk Braunschweig steht immer für den gemeinsamen Ausbau der
Grundversorgung mit freiem WLAN zur Verfügung. Gerne stehen wir ihnen für
Details, Fragen und Konzeptgespräche zur Verfügung.
Anhang: Liste der größten Freifunk-Communities
Name & Stadt/Region |
Zugangspunkte |
Freifunk Hamburg |
794 |
Freifunk Paderborn |
742 |
Freifunk Südwestfalen |
670 |
Freifunk Düsseldorf |
450 |
Freifunk Berlin |
371 |
Freifunk München |
371 |
Freifunk Muenster |
336 |
Freifunk Bielefeld |
310 |
(…) |
|
Freifunk Braunschweig |
118 |
Insgesamt über 11.000 Zugangspunkte in Deutschland: Karte